Nach der abgeschlossenen Ausbildung zur Kinderyogalehrerin will man meist schnellst möglich die ersten Kurse anbieten. Man stürzt sich eifrig in die Gestaltung und den Aufbau der ersten Kinderyogastunden; ist kreativ und sammelt Ideen. Aber neben der rein inhaltlichen Arbeit sollte man sich auch mit einigen grundsätzlichen Themen in Bezug auf die Kursorganisation beschäftigen bevor man die ersten Kinderyogastunden anbietet.
Altersgruppen im Kinderyoga.
Bietest du Yoga-Kurse in einem Kindergarten oder eine Grundschule an, ergeben sich die Altersgruppen von selbst. Bietest du aber außerhalb solcher Einrichtungen Kurse an, solltest du eine Einteilung in Altersgruppen vornehmen. Auf diese Weise haben die Kinder in den einzelnen Kursen einen ähnlichen Entwicklungsstand. Im Folgenden findest du einen Vorschlag zur Einteilung von Kinderyogakursen in altersgerechte Gruppen. Hierbei ist zu beachten, dass die Altersvorgaben nicht strikt sind, sondern Rahmenbedingungen darstellen, von denen du im Einzelfall auch abweichen kannst bzw. mußt. Am Ende ist immer die individuelle Entwicklung des jeweiligen Kindes ausschlaggebend. So kann es zum Beispiel passieren, dass ein 8-jähriges Kind aufgrund seiner persönlichen Entwicklung eher in den Pre – Teen Kurs passt als in den Kurs der entsprechenden Altersgruppe.
- 3-4 Jahre
- 5-8 Jahre
- 9-12 Jahre (Pre-Teen)
- Ab 13 Jahren (Teen-Yoga)
Die oben genannten Altersgruppen beschreiben den Optimal-Zustand. Natürlich passiert es in der Praxis immer wieder, dass sich nicht genug Kinder einer Altersgruppe für einen Kurs anmelden. In diesem Fall werden die Altersabstände der Kinder in einem Kurs größer sein. In solchen Fällen ist es wichtig, dass du beim Unterrichten ein gutes Gleichgewicht findest, damit nicht der eine Teil der Kinder überfordert und der andere Teil unterfordert ist! Das ist auf jeden Fall eine große Herausforderung und sollte nicht zum Normalfall werden.
Kursdauer einer Kinderyoga-Einheit.
Auch die Kursdauer ist ein wichtiges Thema im Kinderyoga. In Yogakursen für Erwachsene dauert eine Yogastunde meist 90 Minuten. Dies ist für Kinder eindeutig zu lang! Je jünger die Kinder sind, desto kürzer ist auch ihre Aufmerksamkeitsspanne! Die Länge der Aufmerksamkeitsspanne ist u.a. abhängig von der Entwicklung, aber auch den Interessen und der Persönlichkeit des Kindes. Deshalb empfehlen sich die folgenden Kursdauern für die betreffenden Altersgruppen:
- Altersgruppe 3-4 Jahre: Kursdauer ca. 30 – 45 Minuten
- Altersgruppe 5-8 Jahre: Kursdauer ca. 45-60 Minuten
- Altersgruppe 9-12 Jahre: Kursdauer ca. 60 Minuten
- Ab 13 Jahren: Kursdauer ca. 60-90 Minuten
Gruppenstärke im Kinderyogakurs.
Bei der Gruppenstärke, also der Anzahl Kinder pro Yoga-Kurs, gibt es wie auch schon bei der Einteilung in Altersgruppen einen theoretischen Optimal-Zustand und das wahre Leben. Der Optimal- Zustand würde wie folgt aussehen:
- Altersgruppe 3-4 Jahre – Gruppenstärke ca. 6 Kinder
- Altersgruppe 5-6 Jahre – Gruppenstärke ca. 8 Kinder
- Altersgruppe 6- 8 Jahre – Gruppenstärke ca. 8 Kinder
- Altersgruppe 9-12 Jahre – Gruppenstärke max. 10-12 Kinder
- Ab 13 Jahre – Gruppenstärke max. 10-12 Kinder
Die Praxis sieht meist anderes aus vor allem wenn du in Schulen oder Kindergärten unterrichtest. Dort wird man oft direkt mit einer ganzen Kindergartengruppe oder Schulklasse konfrontiert, die die optimale Gruppenstärke bei Weitem übersteigt. Hier rate ich dir einfach auszuprobieren! Kinderyoga mit solch großen Gruppen kann funktionieren, muss aber nicht. In diesen Fällen kommt es auf die inhaltliche Gestaltung einer solchen Yogastunde an, aber auch immer auf die Harmonie in der Gruppe. Funktioniert der Unterricht in einer solch großen Gruppe nicht, ist der erste Schritt die Gruppe in 2 kleinere Gruppen aufzuteilen. Auch wenn du dann immer noch von der optimalen Gruppenstärke weit entfernt bist, kann die Aufteilung in 2 kleinere Gruppen schon den gewünschten Erfolg bringen.
Ablauf einer Kinderyogastunde.
Eine Kinderyogastunde läuft immer nach einer ähnlichen Struktur ab. Diese Struktur solltest du auch in der ersten Kinderyogastunde aufgreifen und sie könnte wie folgt aussehen:
- Begrüßungs- oder Anfangsritual: Rituale sind ein wichtiger Bestandteil im Tagesablauf für Kinder und geben ihnen Stabilität, Verlässlichkeit, Vertrautheit und vermitteln Zusammengehörigkeit. Dies gilt auch für eine Kinderyogastunde und auch im Yoga mit Jugendlichen sind Rituale ein wichtiger Bestandteil im Ablauf der Yogastunde.
- Redekreis und eine thematisch gestaltete Raummitte.
- Bewegungsrunden, Aufwärmspiele oder aktive Yoga-Übungen und Asana-Sequenzen wie beispielsweise der Sonnengruß (Surya Namaskar).
- Der Hauptteil einer Kinderyogastunde baut sich aus Yogareisen, thematisch passenden Asana-Sequenzen oder bewegten Yoga-Geschichten auf. Themen können hier beispielsweise eine Abenteuerreise, ein Besuch im Zoo, ein Ausflug auf den Bauernhof, Gefühle und vieles mehr sein.
- Die Vorbereitung auf die Endentspannung ist der Übergang von der aktiven Phase der Kinderyogastunde zur passiven. Dieser kann mit ruhigen Asana, Atem- oder Achtsamkeitsübungen gestaltet werden.
- Die Endentspannung darf auch in der Kinderyogastunde nicht fehlen und kann vielseitig gestaltet werden. In Frage kommen Massagegeschichten, Traumreisen, Visualisierungsübungen oder das Erfahren von Anspannung und Entspannung. Aber auch Mandalas legen oder Malen unterstützen die Entspannung.
- Abgeschlossen wird die Kinderyogastunde mit einem Abschieds- oder Endritual, der Dankbarkeitsstein kann im Kreis herum wandern, die Kinder können sich positive Gedanken schicken oder es wird ein Abschiedslied gesungen wie bei den kleinsten Yogis.
Wie man Kindern Yoga erklärt.
Im Zusammenhang mit der ersten Kinderyogastunde, stellt sich dann häufig auch die Frage, wie man Kindern Yoga erklären kann. Grundsätzlich bin ich da der Meinung, dass man nicht zwangsläufig den Kinder in der ersten Yogastunde erklären muss, was Yoga ist, wo es herkommt und was die Wirkungen von Yoga sind. Zum einen wird im Fußball-Training auch nicht groß erklärt, wo Fußball herkommt oder wie es entstanden ist; da wird ein Ball genommen und direkt los gelegt. Zum anderen finde ich, dass gerade Yoga etwas ist, das jeder selbst und auf seine Art und Weise entdecken sollte. Deshalb gebe ich den Kindern hier einfach die Möglichkeit ganz unvoreingenommen auf eine Entdeckungsreise zu gehen und selbst herauszufinden, was Yoga ist und was es für sie selbst bewirkt, denn das kann für jeden etwas völlig anderes sein.
Startet man einen Yogakurs mit neuen Kindern, braucht man dennoch irgendwie einen Einstieg in das Thema, um es für die Kinder zugänglich zu machen. Und hierzu möchte ich dir ein paar Ideen an die Hand geben.
Die Reise nach Indien
Das wirklich naheliegendste Thema für eine erste Kinderyogastunde ist die berühmte „Die Reise nach Indien“, denn dort liegen bekanntlich die Wurzeln des Yoga. Auf spielerische Weise kannst du zu Beginn der Yogastunde mit den Kindern auf dem Zauberteppich oder mit dem magischen Heißluftballon nach Indien fliegen. Im Hauptteil der Stunde kannst du dann, die für dich wichtigen Punkte über Yoga in einer Geschichte verpacken und mit Asana und Yoga-Übungen verbinden. Darüber hinaus eignet sich das Land Indien auch toll aus Ausgangspunkt für eine Weltreise. So kannst du in den nachfolgenden Yogastunden weitere Länder mit den Kindern besuchen und hast so direkt mehrere Yogastunden thematisch zusammenhängend abgedeckt.
Die 4 W-Fragen
Eine weitere Möglichkeit ist es eine Kinderyogastunde um die 4 W-Fragen aufzubauen: Was, Woher, Wann und Warum. Die 4 W-Fragen geben deiner Yogastunde automatisch eine Struktur. Zu jeder Frage kannst du eine kurze, kindgerechte Antwort formulieren und diese dann mit viel Bewegung und spielerischen Asana und Yoga-Übungen umsetzten.
- Was ist Yoga?
- Woher kommt Yoga?
- Wann entstand Yoga?
- Warum üben wir Yoga?
Im Reich der Yogatiere
Mein persönlich liebster Einstieg in das Thema ist die Kinderyogastunde „Im Reich der Yogatiere“. Zu Beginn der Yogastunden reisen die Kinder erst einmal ins Reich der Yogatiere. Hierzu gibt es wieder verschiedene Möglichkeiten; entweder klassisch mit dem Flugzeug oder etwas spannender mit der fliegenden Yogamatte. Den Hauptteil der Yogastunde kannst du dann ganz einfach mit den bekanntesten Yogatieren gestalten. Hier dürfen dann natürlich der Hund (Adho Mukha Svanasana), die Kobra (Bujangasana), der Adler (Garudasana) oder die Heuschrecke (Salambhasana) auf keinen Fall fehlen! Jedes Tier kann den Kindern zudem etwas über Yoga verraten. Und auch in der Entspannungsphase zum Abschluss der Yogastunde kannst du die Yoga-Tiere noch einmal in einer Fantasiereise aufgreifen.
Weitere Praxis-Tipps.
- Vor der ersten Yogastunde solltest du immer mit den Eltern abklären, ob bei dem Kind irgendwelche gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen, die man eventuell berücksichtigen muss. Möchtest du ätherische Öle in der Kinderyogastunde einsetzen, solltest du zusätzlich gezielt nach Allergien, Neigungen zu Epilepsie oder nach der eventuellen Durchführung einer homöopathischen Behandlung fragen.
- Als Kinderyogalehrerin solltest du immer bei allen Aktivitäten und Übungen mitmachen. Sei ehrlich und authentisch! Kinder fühlen Aufrichtigkeit. Je ehrlicher und offener du selbst bist, desto mehr werden sich auch die Kinder öffnen.
- Wiederholungen fühlen sich für Erwachsene schnell langweilig an. Kinder hingegen brauchen Wiederholungen! Sie geben ihnen Sicherheit. Die meisten Spiele und Übungen lassen eine Menge Raum für Variationen, für die die Kinder sehr dankbar sind.
- Nicht jeder von uns hat einen gemütlichen, hellen und freundlich gestalteten Yoga-Raum für seine Stunden zur Verfügung. Versuche deshalb deinem Yogaraum durch Kerzen, Chiffontücher und die Gestaltung der Raummitte Gemütlichkeit und Atmosphäre zu verleihen.
Die meisten Menschen werden sich nicht daran erinnern, was du gesagt oder getan hast.
Aber sie werden sich an das Gefühl erinnern, das du ihnen gegeben hast.
~ Maya Angelou
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