Über das Buch von Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Michael Schulte-Markwort.

Bis vor einigen Jahren war Burnout noch eine Erkrankung die vielbeschäftigten Managern, die unter beruflichem Dauerstress, viel Verantwortung und ständigem Leistungsdruck standen, vorbehalten war. Mittlerweile greift der sogenannte Burnout jedoch immer weiter um sich.

Der Begriff Burnout-Syndrom wurde durch den Psychologen Herbert Freudenberger geprägt. Mit Burnout (aus dem Englischen „ausgebrannt sein“) bezeichnet man einen Zustand der akuten emotionalen und geistigen Erschöpfung aufgrund dauerhafter Überforderung. Das Fachwort für Burnout ist Erschöpfungsdepression.

Anfangs war ich davon überzeugt, überempfindliche Jugendliche mit zu hohem Selbstanspruch vor mir zu haben. Bei denen muss ich mich heute entschuldigen. (Schulte-Markwort, Seite 105)

Unterschied zwischen Burnout und Depression.

Viele denken, dass es sich bei Burnout und Depression um die gleiche Krankheit handelt. Das ist aber nicht so. Burnout und Depression haben viele Ähnlichkeiten, aber auch entscheidende Unterschiede. Der grundlegende Unterschied zwischen Burnout und Depression liegt darin, dass sich Burnout durch eine Überarbeitung entwickelt. Die eigenen Gefühle werden ignoriert, man investiert immer mehr Zeit und Energie, um noch besser zu werden oder noch mehr zu schaffen, obwohl es am Ende ein Kampf gegen Windmühlen ist. Bei einer Depression fehlt diese Energie. Hier herrscht in der Regel eine komplette Unlust vor und es fehlt die Energie überhaupt irgendetwas tun zu wollen. Ein weiterer Unterschied zwischen Burnout und Depression liegt darin, das der Burnout vor allem mit dem Beruf und der Arbeit in Verbindung steht; bei Kindern und Jugendlichen mit der Schule. Eine Depression kann mit allen Lebensbereichen in Verbindung stehen.

Einerseits ist es tatsächlich so, dass sich die Erkrankung in den letzten 10 Jahren immer weiter in das Kindes- und Jugendalter hinein vorverlegt hat und, soweit sich das heute noch feststellen lässt, früher in diesem Alter weniger oder kaum vorgekommen ist. (Schulte-Markwort, Seite 105)

Burnout-Symptome bei Kindern und Jugendlichen.

Die Symptome eines Burnouts bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich grundsätzlich nicht von denen im Erwachsenenalter. Aber nicht jeder dieser Zustände für sich genommen führt zu einem Burnout. Sind jedoch mehrere dieser Zustände über einen längeren Zeitraum zutreffend, können sie durchaus ein Symptom für Burnout sein:

  • Leiden unter Leistungsansprüchen
  • Konzentrationsprobleme
  • Leistungseinbrüche
  • Apathie
  • Appetitlosigkeit und / oder Gewichtsabnahme
  • Schlafstörungen
  • Nächtliches Zähneknirschen
  • Stimmungsschwankungen und Gereiztheit
  • Unlust bis hin zu tiefer Verzweiflung
  • Traurigkeit und Pessimismus
  • Depressivität
  • Ständige Suche nach Anerkennung und Bestätigung
  • Häufige Krankheiten
  • Unzufriedenheit mit den eigenen Leistungen
  • Erschöpfung
  • Antriebslosigkeit
  • Isolation von der Außenwelt
  • Interessenverlust
  • Geringes Selbstwertgefühl
  • Wenig Selbstvertrauen
  • Schuldgefühle

Parallel zu den oben genannten Symptomen kommen oft auch psychosomatische Symptome wie zum Beispiel Kopf-, Bauch oder Rückenschmerzen hinzu.

Burnout ist im Kindes- und Jugendalter angekommen. Für die Menschheit ist Burnout an sich keine neue Diagnose, im Gegenteil, Burnout scheint menschheitsimmanent zu sein. Aber bei Kinder und Jugendlichen ist es definitiv eine neue Diagnose. Etwa 3 bis 5 Prozent aller Kids leiden darunter, mehrheitlich Mädchen. (Schulte-Markwort, Seite 131)

Ursachen von Burnout bei Kindern und Jugendlichen.

Das Burnout-Syndrom ist weit verbreitet, wird als Erkrankung aber immer noch sehr unterschätzt. Zudem ist besonders auffällig, dass die Betroffenen von Burnout in letzter Zeit immer jünger werden und sich anscheinend ein Krankheitsbild aus der Erwachsenenwelt zu den Kindern und Jugendlichen verschiebt. Aber warum entwickeln immer mehr Kinder und Jugendliche ein Burnout? Will man Kinder mal wieder krank reden oder die Eltern verunsichern? Will die Pharma-Lobby wieder neue Medikamente ans Kind bringen oder ist es schlichtweg Übertreibung? In seinem Buch „Burnout-Kids: Wie das Prinzip Leistung unsere Kinder überfordert“ beschreibt der Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Michael Schulte-Markwort, wie er sich genau diese Fragen selbst gestellt hat. Auch er stand der Diagnose Burnout schon bei Erwachsenen bisher skeptisch gegenüber. Tatsache war aber, dass er immer mehr Jugendlichen in seiner Ambulanz mit Burnout-Symptomen begegnete. Dies veranlasste ihn dazu auch die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge zu betrachten und er schreibt in seinem Buch, dass vor allem die durchdringende leistungsorientierte Ökonomisierung unserer Gesellschaft Strukturen, Werte und Prozesse produziert, die zu einem signifikanten Prozentsatz Kinder und Jugendliche ins Abseits stellt.

Burnoutkids - Michael Schulte-Markwort

Und in der Tat unterliegen Kinder und Jugendliche heute denselben Anforderungen wie Erwachsene. Ein voller Terminkalender mit langen Schultagen und das bereits in der Grundschule. Nachhilfe, unzählige außerschulischen Aktivitäten, sportliche Wettkämpfe und hohen Leistungs- und Erfolgsanforderungen in allen Bereichen, kennzeichnen heute den Alltag von Kindern und Jugendlichen. Hierdurch entsteht schnell ein Ungleichgewicht bei Kindern, obwohl diese von Natur aus wissbegierig sind und Anforderungen gerne annehmen. Dennoch übersteigen die Anforderungen und das Leistungsdenken unserer heutigen Gesellschaft die persönlichen Ressourcen der meisten Kinder und Jugendlichen. Und so können die ersten Symptome eines Burnouts entstehen. Weitere Ursachen können sein: 

  • Mobbing
  • Schulsystem im allgemeinen wie z.B. die frühe Selektion zwischen Gymnasium, Real- und Hauptschule
  • Gesellschaftlicher Umbruch: Schwindende Zukunftsperspektiven, drohende Arbeitslosigkeit u.ä.
  • Eigene Familie: Berufstätige Mütter, Auswirkungen von Streit, Trennung und Scheidung
  • Digitalisierung des Alltags (Smartphones, Videospiele u.ä.)

In dem Buch Burnout-Kids werden die authentischen Geschichten von 5 Kindern vorgestellt. Sie alle leiden unter Burnout und die Ursachen für den Burnout sind ganz unterschiedlich:

  • Anna, 16 Jahre leidet unter Burnout, weil sie sich selbst extrem unter Druck setzt und ein ungesundes Leistungsdenken entwickelt hat. Ihre Devise: Ein Abitur schlechter als 1,5 ist nichts wert.
  • Felix, 12 Jahre hat eigentlich nur eine Lernschwäche, die aber erst erkannt wurde, als er bereits in der Burnoutfalle saß. Er konnte sich noch so sehr anstrengen, aber durch seine Lernschwäche hatte er keine Chance mitzuhalten; der berühmte Kampf gegen die Windmühlen.
  • Charlotte, 9 Jahre durfte auf der Klassenfahrt ihre Angst und ihr Heimweh nicht offen zeigen, um nicht andere Schüler damit „anzustecken“. Das Unterdrücken ihrer Gefühle war für Charlotte traumatisch und führte am Ende zum Burnout.
  • Denise, 14 Jahre: Denise ist ein Scheidungskind und konnte aufgrund dieser Erfahrung den schulische Anforderungen nicht mehr gerecht werden.
  • Emilia, 17 Jahre ist ein typisches Beispiel unserer heutigen Zeit. Ihre Woche ist randvoll gepackt mit Schule, Hausaufgaben, zusätzlichem Lernen für gute Noten und außerschulichen Aktivitäten. So kommt sie auf eine Wochenarbeitszeit von 60 Stunden! Zeit zum Ausspannen hat sie nur samstags. Sie hat lange mit diesem Pensum durchgehalten, aber am Ende hat sie der Burnout doch eingeholt.

Wie mächtig sind die Anforderungen auf der einen Seite –  und wie groß die individuellen Ressourcen auf der anderen? (Schulte-Markwort, Seite 151)

Wie sich Kindheit in den letzten Jahren verändert hat.

Prof. Dr. med. Michael Schulte-Markwort widmet sich in dem Buch Burnout-Kids ausführlich den Ursachen von Burnout, die u.a. auch darin liegen, dass sich die Kindheit in den letzten Jahren doch stark verändert hat.

  • Früher hatten die Kinder nach den Hausaufgaben Freizeit. Heute ist die Freizeit der Kinder durch außerschulische Aktivitäten geprägt in denen Leistungs- und Erfolgsdruck oft genauso hoch sind wie in der Schule.
  • Die Kinder heute wachsen in einer digitalen Welt auf. Das Tempo hat sich beschleunigt, jeder steht ständig mit jedem in Kontakt. Multitasking und das ständige Blinken des Handys sind heute völlig normal. Die Kinder werden mit unglaublich viel Nachrichten und Informationen konfrontiert, die sie teilweise noch gar nicht verstehen. Überforderung und Verängstigung können die Folge sein.
  • Heute ist es völlig normal, dass Kleinkinder bereits mit einem Jahr in die Krippe gehen. Dies ist nicht insgesamt als negativ zu betrachten und das System der Krippenbetreuung oft eine hilfreiche Einrichtung für berufstätige Eltern. Dennoch ist es so, dass es bis zum 3. Lebensjahr nichts besseres gibt als eine Versorgung und Betreuung zu Hause.
  • Die Schultage werden immer länger, die Lehrpläne sollen im gleichen Umfang in weniger Zeit umgesetzt werden.
  • Nicht nur in der Schule wird mittlerweile alles gemessen und irgendwie bewertet. Anerkennung wird oft nur noch in Geld ausgedrückt.

Darüber hinaus werden auch historische Ursachen, die Schule, das Lebensumfeld und die Gegenwart betrachtet.

Die Förderung von Spaß und Motivation scheint kein erkennendes Ziel in Schulen zu sein. (Schulte-Markwort, Seite 201)

Behandlung von Burnout bei Kindern und Jugendlichen.

Nach der Diagnostik umfasst die Behandlung von Burnout bei Kindern und Jugendlichen meist eine Kombination verschiedener psychotherapeutischer Methoden. In schweren Fällen werden diese zumindest zu Beginn auch zusätzlich medikamentös behandelt. Ergänzend hierzu empfehlen Kinder- und Jugendpsychiater Entspannungstechniken. Yoga ist hier eine wertvolle Hilfe, sowohl bei der Behandlung von Burnout als Ergänzung zu psychotherapeutischen Methoden wie auch als Präventionsmaßnahme. Als Yogalehrer für Kinder und Jugendliche kann man mit dieser Thematik das eigene Kursprogramm sinnvoll ergänzen. Im Rahmen der Prävention kann man zum Beispiel einen Kurs „Burnout Prävention für Kinder & Jugendliche“ oder „Anti-Stress-Training für Kinder“ anbieten. Im Zusammenhang mit der Behandlungs-Begleitung macht es Sinn für an Burnout erkrankte Kinder und Jugendliche Yoga in Kleinstgruppen anzubieten, um so die Kursinhalte ganz individuell und auf die Bedürfnisse der einzelnen Teilnehmer abstimmen zu können.

In dem letzten Kapitel seines Buches befasst sich Prof. Dr. med. Michael Schulte-Markwort aber nicht nur mit psychotherapeutischer Methoden oder einer medikamentösen Behandlung von Burnout, sondern erläutert auch noch einmal wichtige Themen in Sachen Prävention wie „Fördern ohne zu Überfordern“, „Leistung auf dem Prüfstand“ und „Mit Grenzen leben lernen“. Und auch der kritische Blick in den vielleicht überfüllten Terminkalender der Kinder als Präventionsmaßnahmen, wird ausführlich thematisiert.

Kindheit heute heißt, dass man selbstverständlich neben der Schule in zusätzlichen Lernbereichen engagiert ist. … Auch freudvoller Stress ist stressig. (Schulte-Markwort, Seite 78/79)

Buch-Informationen.

Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort
Burnout-Kids
Wie das Prinzip Leistung unsere Kinder überfordert
Taschenbuch, 272 Seiten
Verlag Droemer/Knaur
ISBN: 978-3-426-78815-8
Erschienen am 01.03.2016

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**Werbung: Das Buch „Burnout Kids“ wurde als Rezensionsexemplar von der Verlagsgruppe Droemer Knaur zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang gilt: Dieser Artikel spiegelt meine eigene und vor allem ehrliche Meinung wider und was mich nicht überzeugt, landet nicht auf dem Blog.