Vielleicht hast du auch schon einmal Kinder beim Spielen beobachtet, wie sie mit Hingabe und völlig versunken spielen. Ganz besonders Babys und Kleinkinder sind natürliche Achtsamkeits-Profis! Sie nehmen alles so wahr, wie es ist, sind neugierig und offen, ohne die Dinge zu bewerten. Dann kommt aber eine Phase in der sie diese Hingabe zu verlieren scheinen. Sie hüpfen von einer Tätigkeit zur nächsten, vieles wird angefangen und nichts zu Ende geführt. In diesen jungen Jahren sind die Kinder wahre Achtsamkeitsprofis. Achtsamkeit ist nämlich eine angeborene Fähigkeit! Mit zunehmendem Alter kommen dann aber die Erfahrungen wie Bestrafung, Beschämung, Verluste, Leistungsdruck oder Zeitdruck und die Kinder verlieren immer mehr den Bezug zur Achtsamkeit. Eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis hilft Kindern dabei diese wertvolle Fähigkeit nicht zu verlieren. Deshalb ist es sinnvoll auch in der Kinderyogastunde kleine Achtsamkeitsübungen mit einzubeziehen oder immer mal wieder eine besondere Achtsamkeitsstunde durchzuführen. Es gibt viele Möglichkeiten, mit Kindern Achtsamkeit spielerisch zu üben. Aber zuerst möchte ich einmal ein paar grundlegende Fragen zur Achtsamkeit klären, die ich wichtig finde.
Was ist Achtsamkeit?
Achtsamkeit ist eine besondere Form der Aufmerksamkeit, die sich immer auf den gegenwärtigen Moment richtet. Achtsamkeit bedeutet die inneren und äußeren Erfahrungen des Augenblicks bewusst wahrzunehmen ohne zu urteilen. Achtsamkeit ist im Grunde immer, überall und in jeder Situation möglich so auch zum Beispiel in Alltagssituationen oder bei Tätigkeiten wie beim Essen, Treppen gehen oder Spazierengehen.
Die Praxis der Achtsamkeit, die ihre Wurzeln in dem Satipatthāna-Sutta (Buddhas Vortrag über die vier Übungsbereiche der Achtsamkeit) hat, gibt es bereits seit über zwei Jahrtausenden.
Was unterscheidet Achtsamkeit und Meditation?
Achtsamkeit und Meditation sind nicht das Gleiche, hängen aber doch irgendwie miteinander zusammen.
Die Meditation wird oft als eine formellere Form der Achtsamkeitspraxis bezeichnet. Der Hauptunterschied liegt in der Fokussierung. Während bei der Achtsamkeit die Fokussierung immer auf dem gegenwärtigen Moment liegt bzw. dem Tun im gegenwärtigen Moment; kann bei der Meditation der Fokus auf unterschiedlichen Objekten liegen wie zum Beispiel dem Atem, einer Kerze oder einem Mantra.
Darüber hinaus geht es bei der Achtsamkeit darum, sowohl die inneren wie auch die äußeren Erfahrungen des gegenwärtigen Moments bewusst wahrzunehmen. Bei der Meditation geht es um die inneren Erfahrungen, die Beruhigung des Monkey Minds und die innere Versenkung, um so inneren Frieden zu erfahren.
Die Praxis der Achtsamkeit wird bei der Achtsamkeitsmeditation (Vipassana-Meditation oder Einsichtsmeditation) im Grunde zu einem Hilfsmittel der Meditation. Bei der Achtsamkeitsmeditation wird die Aufmerksamkeit auf Gefühle, Körperempfindungen und Gedanken gerichtet. Dabei ist man aber selbst nur ein Beobachter. Als Beobachter nimmt man alles genau wahr, bewertet es aber nicht und lässt es weiterziehen.
Die Wirkung der Achtsamkeitspraxis bei Kindern.
Die Wirkung von Achtsamkeit ist auch bei Kindern vielschichtig. Achtsame Kinder können sich besser konzentrieren und haben eine bessere Impulskontrolle. Sie profitieren zudem von einem wachsenden Selbstbewusstsein, können sich besser in andere einfühlen und sind empathisch. Sie erfahren weniger Stress und Unruhe und haben eine bessere Selbstwahrnehmung.
Achtsamkeits-Übungen in der Kinderyogastunde.
Du kannst natürlich in jede Yogastunde Achtsamkeitsübungen passend zum Thema der Stunde einbauen. Eine weitere interessante Alternative ist es aber auch von Zeit zu Zeit Achtsamkeitsstunden anzubieten. Anhand meines Kurskonzeptes „Einfach achtsam“, dass sich an Kinder im Alter von ca. 6 bis 9 Jahren richtet, möchte ich dir heute einmal einige Tipps und Inspirationen geben!
Die Achtsamkeitsstunden dauern ca. 35-40 Minuten und sind somit etwas kürzer als eine klassische Kinderyogastunde. Hier solltest du immer die Aufmerksamkeitsspannen der jeweiligen Altersgruppen im Hinterkopf haben. Die einzelnen Achtsamkeitsstunden habe ich alle nach der gleichen Struktur aufgebaut, die sich ebenfalls von der einer Kinderyogastunde unterscheidet. Eine Achtsamkeitsstunde gliedert sich in einen Aufwärm-/Einstiegsteil, den Hauptteil mit Achtsamkeitsübungen und ausgleichenden Übungen, sowie den Abschluss der Achtsamkeitsstunde. In dem Kurskonzept „Einfach achtsam“ habe ich 4 Stundenbilder zusammengefasst, die ich in folgende Themenbereiche gegliedert habe:
- Achtsamkeit durch Atmung
- Achtsamkeit durch Sinneserfahrungen – Hören
- Achtsamkeit durch Sinneserfahrungen – Sehen, Riechen und Fühlen
- Achtsamkeit durch Bewegung
Die Gliederung in Themenbereiche gibt mir nicht nur einen roten Faden zur Orientierung vor, sondern ermöglicht es die 4 einzelnen Stunden in ein strukturiertes Gesamtkonzept zu bringen. Beim Aufbau einer Achtsamkeitsstunde ist es wichtig, dass du immer wieder einen Ausgleich zu den Achtsamkeitsübungen schaffst und die Stunden insgesamt einfach hältst. Einen optimalen Ausgleich zu den Achtsamkeitsübungen schaffst du ganz leicht mit kurzen Bewegungseinheiten.
Achtsamkeitsübungen gibt es unzählige, die sich auch für Kinder eigenen und ganz spielerisch umgesetzt werden können. Mit den folgenden ausgewählten Achtsamkeitsübungen möchte ich dir einfach ein wenig Inspiration mit auf den Weg geben.
Stille Post oder Flüsterpost
Für das bekannte Kinder-Spiel die stille Post oder Flüsterpost sitzen die Kinder im Kreis und es wird ein Kind ausgewählt, dass mit dem Spiel beginnt. Dieses Kind überlegt sich ein Wort oder einen kurzen Satz als Nachricht. Das Wort oder der kurze Satz flüstert das Kind dann in das Ohr des Nachbarkindes und von dort aus wird es im Kreis von Kind zu Kind weitergeflüstert. Das letzte Kind spricht dann die Nachricht die es verstanden hat laut aus. Ist die Nachricht tatsächlich richtig angekommen? Zum Abschluss können sich die Kinder austauschen und sagen, was sie verstanden haben. Die Flüsterpost ist ein tolles Spiel, welches nicht nur Spaß macht, sondern auch Konzentration und Aufmerksamkeit von den Kindern verlangt.
Die achtsame Minute
Mit der Übung „Die achtsame Minute“ wird die Aufmerksamkeit der Kinder gezielt auf den gegenwärtigen Moment gelenkt. Hierzu beantworten die Kinder die folgenden Fragen:
- Was hörst du?
- Was fühlst du?
- Was riechst du?
- Was siehst du?
Die Bauchwelle
Die Bauchwelle ist eine bekannte Übung aus dem Kinderyoga, die gerne am Ende der Yogastunde im Rahmen von Shavasana durchgeführt wird. Hierbei wird die Aufmerksamkeit der Kinder mit Hilfe eines Kuscheltieres o.ä. auf die Bauchatmung gerichtet. Auch diese Atemübung kann als Achtsamkeitsübung durchgeführt werden.
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