Warum sind Rituale wichtig?
Rituale sind immer wiederkehrende Handlungen, die Menschen Vertrautheit, Geborgenheit und Stabilität in einem oft stressigen Alltag schaffen. Es handelt sich hierbei nicht immer um große umfangreiche Rituale, sondern auch um kleine Rituale, die wir in unseren Tagesablauf integrieren. In jeder Familie gibt es bestimmte Rituale. Es gibt tägliche Rituale, wie das Vorlesen einer Gute-Nacht-Geschichte, der Spaziergang am Wochenende oder das gemeinsame Abendessen; andere Rituale werden von Festen oder durch die Jahreszeiten bestimmt wie zum Beispiel das Ausblasen von Geburtstagskerzen, Ostereiersuchen, Plätzchen backen in der Adventszeit oder den Weihnachtsbaum schmücken.
Bereits Babys erleben Rituale durch das regelmäßige Wickeln, Baden, Tragen, Füttern und Umsorgen durch die Eltern. Beginnt die Krippen- und Kindergartenzeit folgen weitere Rituale z.B. zum Abschied und zur Begrüßung. Später werden Rituale je nach Bedürfnissen der Familie und Alter des Kindes durch neue ersetzt, ergänzt oder verändert. Andere Rituale bleiben ein Leben lang bestehen. Alle Arten von Ritualen geben Kindern Sicherheit, Geborgenheit, schaffen Vertrauen und erleichtern ihnen Schritt für Schritt den Weg in die Eigenständigkeit. Kinder freuen sich auf Rituale und fordern diese, wenn notwendig auch ein. Aber auch für Jugendliche sind Rituale immer noch wichtig. Die Pubertät ist eine schwierige Lebens-Phase mit vielen Veränderungen. Auch hier können Rituale Vertrautheit und Sicherheit vermitteln.
Rituale in der Yogastunde mit Kindern.
In der Yogastunde sind Rituale, Routinen und Strukturen ebenso unerlässlich wie im Alltagsleben. Grundlegend hierfür ist es, dass du deine Yogastunden möglichst immer nach der gleichen Struktur aufbaust. In diesem Rahmen setzten dann spezielle Rituale einen offiziellen Anfangs- und Endpunkt der Yogastunde, der den Kindern und Jugendlichen den Einstieg in die Stunde erleichtert und das Ende eindeutig bestimmt.
Bei der Auswahl der Anfangs- und Endrituale solltest du immer die Bedürfnisse der Kinder und ihre aktuelle Situation wie zum Beispiel die Pubertät, Eintritt in den Kindergarten oder ein bevorstehender Schulwechsel berücksichtigen. Ganz besondere Rituale entstehen, wenn du die Kinder aktiv beim „Erfinden“ von Ritualen mit einbeziehst. Ein Ritual zu erfinden erfordert Planung, der Gemeinschaftssinn wird gestärkt, die Meinung der Kinder wird ernst genommen und sie müssen sich mit einem bestimmten Thema intensiv befassen. Dies ist nicht nur eine besondere Erfahrung für die Kinder, sondern die Rituale werden für die Kinder so wesentlich verständlicher, intensiver und greifbarer.
Ein ausgewähltes Anfangs- und Endritual solltest du immer über einen längeren Zeitraum beibehalten. Wie lange dieser Zeitraum im Endeffekt ist, hängt stark von der Organisation deines Kurses ab. Ist es ein fortlaufender Kurs so empfiehlt sich ein ausgewähltes Ritual ca. 6 Monate beizubehalten. Sind es nur Kursblöcke mit 8 oder 10 Terminen und öfters wechselnden Kindern die teilnehmen, kannst du die Rituale pro Kursblock ändern.
Im Folgenden stelle ich dir einige mögliche Rituale für die Yogastunde mit Kindern vor:
Ich gebe weiter.
Variante 1: Händedruck weitergeben
Die Kinder fassen sich an den Händen. Man selbst beginnt mit dem Händedruck und gibt ihn am Anfang der Yogastunde rechts herum weiter. Am Ende der Stunde wird zum Abschied der Händedruck links herum weitergegeben.
Variante 2: Positive Gedanken weitergeben
Die Kinder fassen sich an den Händen. Man selbst beginnt mit dem Händedruck und gibt ihn am Anfang der Yogastunde rechts herum weiter. Am Ende der Stunde wird zum Abschied der Händedruck links herum weitergegeben. Man gibt aber bei dieser Varianten nicht nur den Händedruck weiter, sondern auch in Gedanken ein positives Wort wie z.B. Dankbarkeit oder Freude. Auch gute Wünsche können z.B. so weitergegeben werden.
Das Wort.
Die Kinder sitzen im Kreis, geben sich die Hände und schließen kurz die Augen. Die Kinder sollen sich überlegen, wie sie sich genau in diesem Moment fühlen. Dann werden die Augen wieder geöffnet und jedes Kind sagt nacheinander genau ein Wort, das beschreibt, wie es sich jetzt fühlt z.B. entspannt, konzentriert, aufgeregt, müde, zufrieden…
Diese Übung solltest du sowohl am Anfang als auch am Ende der Yogastunde durchführen. So kannst du mit jedem Kind kurz besprechen, welches Wort es am Anfang der Stunde ausgewählt hat und welches am Ende. Das kann ziemlich interessant sein!
Das Wetter.
Jedes Kind bekommt am Anfang der Stunde einen kleinen Zettel und einen Stift. Auf dem Zettel steht der Name des Kindes, damit die Zettel nicht während der Stunde durcheinander geraten. Auf den Zettel malt jedes Kind eines, der folgenden Symbole, je nach seiner persönlichen Stimmung genau in diesem Augenblick.
Sonne: Mir geht es gut. Ich habe gute Laune
Wolke: Neutral. Ich bin nicht gut gelaunt, aber auch nicht schlecht gelaunt. Vielleicht nur etwas müde.
Regen: Mir geht es nicht gut. Ich bin schlecht gelaunt.
Am Ende der Stunde wird das gleiche gemacht. Auf die Rückseite wird wieder das Symbol gemalt, das die persönliche Stimmung genau in diesem Augenblick widerspiegelt.
Sorgenpüppchen.
Für das Ritual der Sorgenpüppchen benötigt man 1 oder mehrere kleine Püppchen, die in einem Säckchen oder einer Schachtel wohnen. Zu Beginn der Yogastunde kann jedes Kind dem Sorgenpüppchen über seine Sorgen oder Ängste erzählen. Die Sorgenpüppchen hören zu und nehmen danach alles mit.
Atmosphäre schaffen.
Es kann auch ein Ritual sein zu Beginn der Stunde gemeinsam mit den Kindern eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen und diese für einige Minuten bewusst wahrzunehmen. Hierzu kann zum Beispiel eine Kerze angezündet werden, eine Duftlampe mit einem bestimmten ätherischen Öl aufgestellt werden oder immer das gleiche Lied gesungen oder angehört werden. Gerade wenn du hier mit ätherischen Ölen arbeitest, ist es wichtig, dass du dich für einen Duft entscheidest und diesen über einen längeren Zeitraum zu verwendest. Nach einiger Zeit werden die Kinder den Duft des ausgewählten ätherischen Öles mit diesem Ritual verknüpfen. Gleiches gilt auch für Musik mit der wir ebenfalls schnell Erinnerungen, Stimmungen und Gefühle verbinden. Mit Musik, ätherischen Ölen und einer Kerze kannst du mit den Kindern gemeinsam ganz einfach ein Ritual entstehen lassen und so bewusst das Ankommen und zur Ruhe kommen zelebrieren.
Redestab / Redestein.
Gerade am Anfang und am Ende einer Yogastunde kann das Mitteilungsbedürfnis der Kinder doch recht hoch sein. Zu Beginn der Stunde wollen sie erzählen, was sie heute schon alles erlebt haben und am Ende der Stunde, will man vielleicht auch nochmal über die Yogastunde selbst sprechen. Ein Redestab oder Redestein kann hier eine solche Gesprächsrunde zu einem Ritual machen. Darüber hinaus hilft er dabei Struktur in die Gesprächsrunde zu bringen. Wichtig hierbei ist, dass es keine Redepflicht gibt! In einer solchen Gesprächsrunde kann man mit offenen Fragen wie zum Beispiel „Wie geht es dir?“ oder „Was hat dir gefallen, was hat dir nicht gefallen?“ arbeiten. Man kann aber auch die Fragen so formulieren, dass man damit eine bestimmte Richtung vorgibt wie zum Beispiel „Worüber hast du dich heute gefreut / geärgert / gesorgt…“
Mudras als Rituale.
Bestimmte Mudras eignen sich ideal als Anfangs- und Endritual in einer Yogastunde.; so auch das Dhyana Mudra. Hierfür werden beide Hände wie Schalen in den Schoß gelegt, wobei die linke Hand auf der rechten liegt. Beide Daumen berühren sich an den Spitzen. Die Hände symbolisieren dabei eine Schale und die Daumen bilden den Henkel der Schale.
In die Schale können verschiedene Sachen „hineingelegt“ werden. Am Anfang der Yogastunde ist es eine schöne Einleitung, um mit den Teenagern zu besprechen, was sie zur Yogastunde „mitgebracht“ haben wie z.B. Sorgen oder Ängste. Am Ende der Yogastunde können die Teenager so z.B. positive Gedanken mit nach Hause nehmen.
Auch Padma Mudra eignet sich für Rituale zu Beginn und Ende der Yogastunde. Für Padma Mudra berühren sich die Handgelenke, sowie die kleinen Finger und die Daumen. Die übrigen Finger werden auseinander gestreckt, so dass sich ein Art Kelch ergibt. Dies symbolisiert eine geöffnete Blume.
Mit Padma Mudra kann man das ganze Jahr über Blumen blühen lassen. Padma Mudra kann ein schönes Ritual für das Ende einer Yogastunde sein. Hierbei lässt jedes Kind eine Blume für jemanden blühen z.B. für Mama oder Papa, Oma oder Opa oder aber vielleicht die beste Freundin.
Alternativ kannst du auch Padma Mudra mit Anjali Mudra und einer Affirmation kombinieren. Hierzu werden die Handflächen vor der Brust aneinander in Anjali Mudra gebracht. Anjali Mudra symbolisiert die geschlossene Lotusblume, wobei die Finger die Blütenblätter und die Hände den Blütenkelch darstellen. Mit dem Einatmen öffnet sich die Lotusblume und die Kinder bringen die Hände in Padma Mudra (Lotus Mudra). Für Padma Mudra berühren sich die Handgelenke, sowie die kleinen Finger und die Daumen. Die übrigen Finger werden auseinander gestreckt, so dass sich ein Art Kelch ergibt. Dies symbolisiert eine geöffnete Blume. An dieser Stelle sagen die Kinder die Affirmation; entweder gemeinsam oder jeder still für sich. Mit dem Ausatmen schließt sich die Blume wieder und die Hände gehen zurück in Anjali Mudra.
Du kannst diese Übung sowohl für den Anfang als auch das Ende der Yogastunde nutzen und schön mit Affirmationen verbinden. Beispiele für Affirmationen zu Beginn der Yogastunde können sein:
- Ich gebe mein Bestes.
- Ich glaube an mich selbst.
- Ich bin konzentriert.
Das stille Licht.
Das stille Licht kann als Achtsamkeitsübung in die Yoga-Stunde eingebunden werden, aber auch als Ritual zu Beginn. Jedes Kind erhält hierzu ein Teelichhalter oder ein Kerzen-Glas. In der Mitte steht eine große Kerze an der für jedes Kind der Reihe nach ein Teelicht entzündet wird. Die Kinder kommen mit ihren Gläser oder Teelichthaltern und das Teelicht wird dort hinein gegeben. Sobald ein Kind sein Licht bekommen hat, geht es zu seiner Matte und stellt das Licht vor sich hin. Es darf nicht mehr geredet werden. Wenn alle Kinder ihr Licht haben und auf ihren Matten angekommen sind, wird für 1 oder 2 Minuten das Kerzenlicht betrachtet.
Buchstabensuppe.
Das Anfangsritual „Buchstabensuppe“ eignet sich nicht nur als Anfangsritual in neuen Gruppen, sondern bringt auch Spaß in Yoga-Gruppen, die schon länger zusammen sind.
Das erste Kind beginnt und sagt seinen Namen. Zu dem Anfangsbuchstaben seines Namens sucht es dann eine Asana. Die Asana wird dann von allen gemeinsam geübt.
Beispiel: Name des Kindes = Marie, Anfangsbuchstabe = M, Asana = Maus (Position des Kindes / Balasana)
Der Dankbarkeitsstein.
Dankbarkeit ist die wertvollste Eigenschaft, die ein Mensch besitzen kann. Dankbarkeit ist ein positives Gefühl mit dem man Anerkennung für andere Menschen oder für Dinge ausdrückt. Dankbarkeit ist die intensivste Form positiven Denkens, denn Dankbarkeit setzt nichts als selbstverständlich voraus. Dankbarkeit ist ein Gefühl, das aus unseren Herzen kommt. Wenn wir Dankbarkeit fühlen, dann fühlen wir auch gleichzeitig Freude, Frieden und Glück. Aber es ist nicht immer einfach, dankbar zu sein. Manchmal vergessen wir es und manchmal passieren Dinge oder wir befinden uns in Situationen, die es uns schwer machen Dankbar zu sein. Genau deshalb ist der Dankbarkeits-Stein ein tolles Abschluss-Ritual in der Kinderyogastunde. Hierzu brauchst du lediglich einen schönen Stein. Am Ende der Yogastunde geht der Dankbarkeits-Stein in der Runde von Kind zu Kind und jedes Kind sagt, wofür es in diesem Moment Dankbar ist.
Bilderquelle: © James Thew 52304099 Adobe Stock (vormals Fotolia)